Mittwoch, 9. Januar 2008

Die Stader Gruppe in der älteren Bronzezeit (etwa 1500-1200 v. Chr.)

Drei Nackte blickten zur Sonne

Bronzezeitbuch

Rohfassung eines Textes für das Buch "Deutschland in der Bronzezeit" (1996) von Ernst Probst in alter deutscher Rechtschreibung

Im Dreieck zwischen Elbe und Weser sowie bis zur Niederung der Este in der Stader Geest war in der älteren Bronzezeit von etwa 1500 bis 1200 v. Chr. die Stader Gruppe heimisch. Ihr Verbreitungsgebiet umfaßte – nach Erkenntnisssen des Hamburger Prähistorikers Friedrich Laux – die heutigen Kreise Stade, Cuxhaven, Rotenburg/Wümme und Verden.
Den Begriff »Stader Gruppe« hat 1981 der Prähistoriker Arne Lucke in seiner Hamburger Dissertation erstmals für eine Lokalgruppe der jüngeren Bronzezeit verwendet. Im Gegensatz dazu benutzt Laux die Bezeichnung Stader Gruppe, die er 1987 bei einem Vortrag in Bad Stuer erwähnte und auf die er 1991 in einem Aufsatz zurückgriff, für eine Gruppe, die sich in der älteren, mittleren und jüngeren Bronzezeit behauptete.
Die Stader Gruppe wird zum Nordischen Kreis der Bronzezeit gerechnet. Er umfaßte in der älteren Bronzezeit Südnorwegen, Süd- und Mittelschweden, Dänemark, Schleswig-Holstein, die Gegend von Stade in Niedersachsen und das Küstengebiet in Mecklenburg-Vorpommern. Seine südliche Grenze lag im Raum Stade.
Wie in der Lüneburger Gruppe gab es offenbar auch in der Bevölkerung der Stader Gruppe eine soziale Oberschicht. Darauf deuten die reichen Grabbeigaben in den Steinkistengräbern von Heerstedt (Kreis Cuxhaven) und Essel bei Kutenholz (Kreis Stade) hin. Darin waren vornehme Krieger mit bronzenen Waffen und Schmuckstücken bestattet worden. Im Steinkistengrab von Heerstedt lag zudem eine kostbare verzierte Holzschale. Auch der Klappstuhl von Daensen (Kreis Stade) dürfte zum Besitz eines Menschen von Rang gezählt haben.
Von der Kleidung der Stader Leute blieben nur die bronzenen Fibeln erhalten, mit denen die Gewänder zusammengehalten wurden. Nach den Funden zu schließen, erhielten Rundkopffibeln gegenüber den selteneren Flachkopffibeln den Vorzug. Erstere wurden in Heerstedt, Meckelstedt bei Lintig und Dornsode bei Armstorf (alle im Kreis Cuxhaven) sowie in Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) und Essel bei Kutenholz (Kreis Stade) entdeckt. Eine Flachkopffibel mit Sanduhrkopf kam in Hagenah bei Heinbockel (Kreis Stade) zum Vorschein.
Auf Bart- und Haarpflege weisen die Funde von doppelschneidigen bronzenen Rasiermessern hin. Sie gelten als Neuerungen jener Zeit. Einen solchen Toilettegegenstand kennt man aus Essel bei Kutenholz.
Zum Eigentum bedeutender Persönlichkeiten – vielleicht Häuptlingen – gehörte mitunter ein Klappstuhl mit Lederauflage sowie bronzenen Beschlag- und Schmuckteilen. Reste solch seltener Sitzmöbel wurden bisher nur in Männergräbern der älteren Bronzezeit in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Dänemark geborgen. Als eine der kostbarsten Entdeckungen dieser Art gilt der Klappstuhl aus einem Grabhügel von Daensen bei Buxtehude (Kreis Stade). Es ist der am weitesten südlich gelegene Fund eines derartigen Möbelstückes.
Von den hölzernen Teilen des Klappstuhls aus Daensen sind nur sieben kleine Ahornholzstücke erhalten geblieben. Ein Stück Schafleder verrät, aus welchem Material die einstige Sitzfläche bestand. Außerdem wurden zahlreiche bronzene Beschlag- und Schmuckteile geborgen. Dazu gehören vier Bronzeknäufe mit Klapperblechen, zwei kleinere Bronzeknäufe, vier Bronzebleche mit Goldblechauflage, drei ovale Beschlagteile, zwei rechteckige Beschlagplatten mit Goldblechauflage und einige Bronzefragmente. Die Goldbleche sind mit eingepunzten Punkten und Kreisen verziert.
Der Heidelberger Archäologe Ernst Wahle (1889–1981) hat 1932 darauf hingewiesen, daß die Klappstühle eine Besonderheit der nordischen Bronzezeit darstellen. Nach seiner Auffassung haben diese Sitzmöbel in den thronartigen Klappstühlen und Thronsesseln aus ägyptischen Pharaonengräbern ihr Gegenstück. Am Klappstuhl von Guldhoj bei Vamdrup in Jütland (Dänemark) war das Sitzleder mit Stiften festgeheftet. Dagegen hatte man das Sitzleder des Klappstuhls von Bechelsdorf bei Niendorf (Kreis Nordwestmecklenburg) in Mecklenburg-Vorpommern durch den Hohlschlitz der Längsstäbe geschoben. Der Schaflederrest des Klappstuhls von Daensen verrät, daß Schafe als Haustiere gehalten wurden.
Die schlecht gebrannten und nur selten verzierten Tongefäße der Stader Gruppe gehören zur sogenannten »Kümmerkeramik«. Reste von Tongefäßen lagen manchmal als Beigaben für Verstorbene in Gräbern (Meckelstedt, Quelkhorn). In einem Hügelgrab bei Holtum-Geest (Kreis Verden) wurde ein neun Zentimeter langer und 7,5 Zentimeter breiter Tonlöffel gefunden.
Viel prächtiger als die damaligen Tongefäße sah die in einem Steinkistengrab von Heerstedt (Kreis Cuxhaven) entdeckte Holzschale aus, die leider 1946 bei einem Brand zerstört wurde. Das aus dem Wurzelstock eines Laubbaumes geschnitzte Gefäß mit einer Höhe von 14 Zentimetern und einem Mündungsdurchmesser von 25,5 Zentimetern war auf der Außenseite mit einem Sternmotiv verziert. Hierzu verwendete der Künstler viele kurze Bronzestifte ohne Kopf und etwa 250 Zinnblechkugeln, die er in die einen Zentimeter dicke Schalenwand geschlagen hatte.
Als Hauptmotiv auf der Außenseite der Schale diente ein zwölfstrahliger Stern, der durch die Stiftreihen gebildet wurde. Die Felder zwischen den Strahlen hat man mit Zinnbuckeln gefüllt. Waagrecht über den Spitzen der Strahlen verlief ein durch zwei Stiftreihen gebildetes Linienband, dem sich eine Zone mit einer Reihe von Zinnbuckeln und zum Abschluß zwei Stiftreihen anschloß. Der Boden der Holzschale hatte einen Durchmesser von 8,5 Zentimetern. Er war mit zwei doppelten Stiftkreisen und dazwischen einem lockeren Kreis aus zwölf Zinnbuckeln verziert. Die Schale besaß einen Henkel, an dem zwei kleine bronzene Ringe hingen.
Die Holzschale von Heerstedt war zusammen mit einem bronzenen Vollgriffschwert, einem Absatzbeil, einem Dolch, einer zweiteiligen Fibel mit verziertem bandförmigen Bügel und einem Fingerring zum Vorschein gekommen. Diese Gegenstände gehörten zum Besitz eines vornehmen Kriegers, den man in gestreckter Körperlage in einem Steinkistengrab beigesetzt hatte.
Manche Männerbestattungen in Steinkistengräbern enthielten auch bronzene Messer. Sie gelten nicht als Waffen, sondern als Werkzeuge. Je ein Messer fand man in Essel bei Kutenholz (Kreis Stade) und in Quelkhorn (Kreis Verden).
Zur Waffenausrüstung der Männer gehörte damals – nach Erkenntnissen von Friedrich Laux – stets ein bronzenes Langschwert, das in der Regel mit einem Absatzbeil vom nordischen oder Osthannover-Typ kombiniert wurde. Bronzene Dolche fanden seltener als Schwerter und Beile Verwendung.
Unter Schwertern gab es nordische Vollgriffschwerter, diverse Formen von Griffzungen- oder Griffplattenschwertern und vereinzelt aus Süddeutschland importierte Vollgriffschwerter mit achtkantigem Griff. Derartige Waffen wurden vor allem in Steinkistengräbern gefunden.
Ein nordisches Vollgriffschwert hat man im bereits erwähnten Steinkistengrab von Heerstedt entdeckt. An ihm hafteten noch Reste der verzierten Holzscheide. Griffzungenschwerter wurden in Dornsode und Langen (beide Kreis Cuxhaven) sowie in Quelkhorn bei Ottersberg (Kreis Verden) zutage befördert. Ein Griffplattenschwert kam in Essel zum Vorschein und je ein Vollgriffschwert mit achtkantigem Griff in Meckelstedt sowie in Wiepenkathen (beide Kreis Stade), wovon das letztere besonders prächtig ist.
Die bronzenen Klingen der Absatzbeile steckten in hölzernen Schäften. Reste des Schaftes befanden sich noch an der Klinge des Absatzbeiles, das im Steinkistengrab von Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) entdeckt wurde. Absatzbeile hat man in den Steinkistengräbern von Anderlingen, Dornsode, Essel, Hagenah, Heerstedt, Langen, Meckelstedt und Quelkhorn geborgen. Häufig war der Schäftungsteil der Beilklingen verziert.
Bronzene Dolche lagen außer in den Frauengräbern von Beckdorf und Niendorf auch in Männergräbern. Auf entsprechende Exemplare stieß man in den Steinkistengräbern von Anderlingen, Hagenah, Heerstedt und Meckelstedt, in denen Krieger bestattet worden waren. Der Dolch von Heerstedt hatte acht Nägel, mit denen einst der nicht mehr existierende Griff befestigt war.
Ein Beispiel für den Wegebau um 1200 v. Chr. wurde in einem Moor bei Groß Heins im Kreis Verden entdeckt. Dort überquerte man mit Hilfe einer Reihe größerer Steine das unsichere Gelände. Vermutlich haben die Benutzer dieses Stapfweges auf benachbarten Teilen des Sandbodens gewohnt und Vieh gehalten.
Aus der älterbronzezeitlichen Stader Gruppe oder aus einige Jahrhunderte späterer Zeit könnte das Wagenrad von Beckdorf (Kreis Stade) stammen, das von den Entdeckern zunächst als »Holzdeckel« fehlgedeutet worden ist. Es wurde aus dem Stamm einer fast 70 Zentimeter dicken Erle geschaffen. Derart mächtige Erlenstämme gibt es heute nicht mehr. Das Rad hat einen Durchmesser von 67 Zentimetern. Es ist am Rand fünf Zentimeter und in der Mitte bis zu 10,5 Zentimeter dick. In dem rundlichen Loch von etwa 20 Zentimeter Durchmesser befand sich ursprünglich die röhrenförmige Holznabe.
Die Frauen der Stader Gruppe haben zu Lebzeiten bronzene gedrehte Halsringe, Armschmuck und am Gürtel befestigte Schmuckscheiben getragen. Das Wissen über ihren Schmuck ist bescheiden, weil es in der Stader Gruppe unüblich war, die Frauen mit ihrem gesamten Schmuck zu bestatten, wie es in der Lüneburger Gruppe gehandhabt wurde. Aus diesem Grund dürfte es sich bei einem großen Teil der Gräber ohne Beigaben um Beisetzungen von Frauen handeln.
Lediglich im östlichen Randbereich der Staader Gest sind Frauenbestattungen gefunden worden, die Beigaben enthielten. Sowohl in Beckdorf als auch in Niendorf bei Beckdorf (Kreis Stade) lag jeweils ein bronzener Dolch in einem Frauengrab. Diese Beigabe war für die nordische Bronzezeit typisch, zu der die Stader Geest in der älteren Bronzezeit gehörte.
Die Tote von Beckdorf hatte man in einem Baumsarg zur letzten Ruhe gebettet. Um den Hals trug sie einen gedrehten bronzenen Ring. Links und rechts im Haar oder an einer nicht mehr vorhandenen Kopfhaube prangte je ein zierlicher Spiralring. Vor der Brust steckte eine 25 Zentimeter lange bronzene Nadel im Kleid. Am linken Unterarm hing ein bronzener Armring, während das rechte Bein von einem bronzenen Fußring geziert wurde. Links neben dem Kopfende stand außerhalb des Baumsarges ein verziertes Tongefäß mit vier kleinen Henkeln.
Eine Frauenbestattung in der Tracht der Stader Gruppe liegt vom östlichen Rand der Stader Geest aus Heidenau (Kreis Harburg) vor. Zur Ausstattung jener Verstorbenen
gehören ein gerippter Halskragen, zwei gedrehte Halsringe, ein Armring und zwei kleine am Gürtel befestigte Scheiben. Letztere waren offenbar typisch für die Stader und nordelbische Dithmarscher Gruppe. Diese Frau hatte n die Lüneburger Gruppe eingeheiratet, ihren Dolch abgelegt und die Lüneburger Radnadel als Zeichen der verheirateten Frau erhalten. Einige kegelförmige Hütchen und Spiralröllchen vervollständigten das Ensemble. Da diese Frau in Stader Schmucktracht im Bereich der Lüneburger Gruppe der älteren Bronzezeit lebte und starb, wurde sie nach Lüneburger Sitte mit ihrem gesamten Schmuck beigesetzt, was diese Analyse erlaubt.
Zu den Beigaben für den verstorbenen Krieger im Steinkistengrab auf dem Türlürsberg bei Bramstedt (Kreis Cuxhaven) soll auch ein goldener Ring gehört haben, der sich angeblich am Handgriff eines Schwertes befand. Vielleicht handelte es sich hierbei um eine leicht biegsame goldene Lockenspirale, die um den Schwertgriff gewickelt worden war. Es ist aber auch möglich, daß das goldene Objekt von einem viel jüngeren Schatzfund mit römischen Münzen stammte. Der Türlürsberg soll früher ein Berg von beträchtlicher Höhe gewesen sein, der im Laufe der Zeit immer mehr abgetragen wurde.
Die Menschen der Stader Gruppe haben ihre Verstorbenen unverbrannt bestattet. Über dem Grab wurde ein Hügel aufgeschüttet. Im Verbreitungsgebiet der Stader Gruppe sind die Grabhügel meistens in langezogenen Reihen angeordnet. Während einer kurzen Zeitspanne herrschte die Sitte, den Toten in einem mannslangen Steinkistengrab zu beerdigen. Dieser Gräbertyp wurde in zwei verschiedenen Formen zu gleicher Zeit übernommen. Dabei handelte es sich um die Steinkistengräber der Gruppe Anderlingen-Heerstedt und um die Steinkistengräber der Gruppe Goldbeck-Daudieck.
Die Steinkistengräber der Gruppe Anderlingen-Heerstedt sind nach den Fundorten Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) und Heerstedt (Kreis Cuxhaven) benannt. Charakteristisch für sie ist der rechteckige oder leicht trapezförmige Grundriß von etwa zwei Meter lichter Länge und 0,80 bis einem Meter lichter Breite. Die Längsseiten dieser teilweise in den Boden eingetieften Steinkistengräber bildete man aus mehreren Granitblöcken und jeweils einem breiten Steinblock an den Schmalseiten. Die meistens 0,80 bis einen Meter hohen Steinkistengräber wurden häufig mit zwei oder drei flachen Steinplatten abgedeckt. Der Boden der Grabkammer war stellenweise gepflastert.
Steinkistengräber der Gruppe Anderlingen-Heerstedt kennt man im ganzen Verbreitungsgebiet der Stader Gruppe. Sie wurden in den Kreisen Rotenburg/Wümme (Anderlingen), Cuxhaven (Dornsode, Heerstedt, Langen, Meckelstedt), Stade (Essel), Verden (Hohenaverbergen, Quelkhorn) nachgewiesen. Das Steinkistengrab von Heerstedt hatte einen trapezförmigen Grundriß.
Die Steinkistengräber der Gruppe Goldbeck-Daudieck erhielten ihren Namen nach den Fundstellen Goldbeck bei Beckdorf und Daudieck bei Horneburg (beide im Kreis Stade). Dieser Typ kam nur im Bereich südlich von Stade vor. Die Längsseiten jener Steinkistengräber bestehen jeweils aus einer einzigen langen Steinplatte und je einer kleineren Platte oder einem Findling an den Schmalseiten. Als Abdeckung dienten eine oder zwei flache Steinplatten. Auch solche Steinkistengräber sind in den Boden eingetieft. Die Grabkammer wurde meistens mit einer Packung von Rollsteinen bedeckt.
Steinkistengräber der Gruppe Goldbeck-Daudieck sind auf das Gebiet des Kreises Stade beschränkt. Dazu gehören die Fundorte Daudieck, Goldbeck (Grabhügel 82), Harsefeld, Ahlerstedt und Hagenah bei Heinbockel.
Das Steinkistengrab von Goldbeck mit den Innenmaßen 1,90 mal 0,80 Meter war aus extrem schmalen Steinplatten erbaut und wurde mit einer Steinplatte von 2,40 Meter Länge, einem Meter Breite sowie 20 Zentimeter Dicke bedeckt. Das Steinkistengrab von Daudieck hatte die Innenmaße 1,70 mal 0,90 Metern. Seine Längsseiten wurden durch je eine 1,70 Meter lange, extrem schmale Steinplatte gebildet. Auf der westlichen Schmalseite standen eine flache Steinplatte und dahinter ein Steinblock, den Abschluß der östlichen Schmalseite markierte ein Findling. In den einzigen Deckstein wurden zahlreiche Schälchen eingetieft, deren Zweck unbekannt ist.
Die Steinkistengräber der Stader Gruppe gleichen völlig denen in nördlich anschließenden Gebieten wie in Dithmarschen (Schleswig-Holstein), auf den Nordfriesischen Inseln, im nördlichen Jütland (Dänemark) und auf den Dänischen Inseln. Damit gehören die Steinkistengräber zwischen Weser, Aller und Elbe – laut Friedrich Laux – zur nordischen Bronzezeit, wogegen sie in der Lüneburger Gruppe nicht vorkamen. Ähnliche Gräber erbaute man damals auch in der Bretagne (Frankreich) und im südlichen England.
Das erste Steinkistengrab der Stader Gruppe war schon um 1730 auf dem Türlürsberg bei Bramstedt (Kreis Cuxhaven) bei der Abtragung von Erdreich entdeckt worden. Es wurde 1759 von dem Pastor Martin Mushard (1699–1770) aus Geestendorf bei Bremerhaven – im Stile jener Zeit – phantasievoll als »Monumentum des vergötterten Helden Tür Lürs zu Bramstädt im Herzogthume Bremen« beschrieben.
Außer Steinkistengräbern gab es andere Grabformen wie Langhügel und Totenhäuser. Ein etwa 50 Meter langer und 5,50 Meter breiter Langhügel in der Fischbeker Heide bei Hamburg enthielt zur Überraschung der Ausgräber kein jungsteinzeitliches Großsteingrab, sondern etwa in Höhe der Mittelachse zahlreiche Gräber der älteren Bronzezeit. In Baden bei Achim (Kreis Verden) wurde unter einem Grabhügel eine Totenhütte mit vier Pfosten sowie steinerner Kultnische entdeckt. Darin dürfte eine Körperbestattung in einem Baumsarg gelegen haben. Totenhäuser wurden vor allem in der Lüneburger Gruppe errichtet.
Wie in der Lüneburger Heide wurden auch im Verbreitungsgebiet der Stader Gruppe einige der rätselhaften Rillensteine und Rinnensteine gefunden, so zum Beispiel derjenige vom Forsthaus Hollenbeck (Kreis Stade). Dieser 1,10 Meter hohe Rillenstein wird seit 1979 in der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung des Schwedenspeichermuseums in Stade aufbewahrt.
Als eindrucksvollstes Zeugnis des Kultes der Stader Gruppe gilt der Bildstein von Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme). Er markierte die südliche Schmalseite eines Steinkistengrabes, auf das Landwirte im Oktober 1907 gestoßen waren, als sie einen Grabhügel abtrugen, um Sand und Steine zu gewinnen. Der Hügel von zwei Meter Höhe und 25 Meter Durchmesser barg eine Grabkammer, die innen zwei Meter lang, 70 Zentimeter breit und einen Meter hoch war. Die Grabkammer bestand aus zwölf Wandsteinen und drei Decksteinen. Darin war ein Mensch, von dem nur noch wenige Skelettreste erhalten geblieben sind, in einem längst verrotteten Baumsarg bestattet.
Zur Zeit der Entdeckung waren die in den 1,15 Meter langen, 0,75 Meter breiten und 0,50 Meter dicken Bildstein eingemeißelten drei menschlichen Gestalten noch nicht erkennbar. Sie wurden durch anhaftenden Sand bedeckt und erst Ende Januar 1908 sichtbar, als der Sand abbröckelte. Bedauerlicherweise haben Einheimische, die den wissenschaftlichen Wert dieses Objekts nicht ahnten, den Bildstein mit weiteren Darstellungen verunziert. Kurz danach besichtigte der damals in Hannover tätige Archäologe Hans Hahne (1875–1935) die Fundstelle und ließ den Bildstein fotografieren.
Die in den Anderlinger Bildstein eingemeißelten drei Gestalten sind nackt und tragen vogelartig wirkende Masken. Ähnliche Vermummungen sind auf südschwedischen Felsbildern zu sehen. Der erste Mensch auf der linken Seite hat die Hände wie zum Gebet erhoben und die Finger gespreizt. Daneben steht in der Mitte ein Mensch, der mit erhobenen Händen ein Beil hält, wie man es von skandinavischen Prozessionsdarstellungen kennt. Rechts davon trägt ein Mensch ein nicht identifizierbares Objekt in seinen Händen und wird von zwei in den Stein eingetieften Schälchen flankiert.
Der rätselhafte Gegenstand in den Händen der rechten Figur auf dem Anderlinger Bildstein wurde von verschiedenen Autoren schon als Opfergabe, Schallinstrument oder rauchende Opferschüssel interpretiert. Die beiden Schälchen an den Seiten der Gestalt hat man als Symbole der Feuererzeugung, des Feuers und der Sonne gedeutet. Und die Figur selbst wurde schon als Frau mit langem Rock verkannt.
Der Prähistoriker Karl Hermann Jacob-Friesen (1886–1960) aus Hannover erachtete den Anderlinger Bildstein als »Dreigötterstein«. Er meinte, die linke Gestalt mit erhobenen Händen sei der Feuergott, die mittlere mit der Axt der Sonnengott und die rechte der Mondgott. Diese Theorie entsprach den Schilderungen von Cäsar und Tacitus über die Götterdreiheit der Germanen. Das Motiv des Mannes mit erhobenen Händen gilt auf nordischen Felsbildern der Bronzezeit auch als Dämon, Tänzer oder Betender (Adorant).
Heute neigt die Fachwelt am meisten zur 1963 von der damals in Hannover arbeitenden Prähistorikerin Clara Redlich vertretenen Ansicht, die drei menschlichen Gestalten auf dem Anderlinger Bildstein stellten den Aufzug einer Bestattungsszene dar. Der Prähistoriker Wolfgang Dietrich Asmus (1908–1993) aus Hannover wertete 1990 die Szene als eine Heilsbeschwörung des im Steinkistengrab bestatteten Menschen, der offenbar eine wichtige Funktion im Rahmen des Sonnenkults innehatte. Alle drei Beschwörer blickten bei der ursprünglichen Ausrichtung des Bildsteins im Steinkistengrab nach Südwesten zur untergehenden Sonne.








Die Stader Gruppe in der älteren Bronzezeit (etwa 1500-1200 v. Chr.)
Drei Nackte blickten zur Sonne

Im Dreieck zwischen Elbe und Weser sowie bis zur Niederung der Este in der Stader Geest war in der älteren Bronzezeit von etwa 1500 bis 1200 v. Chr. die Stader Gruppe heimisch. Ihr Verbreitungsgebiet umfaßte – nach Erkenntnisssen des Hamburger Prähistorikers Friedrich Laux – die heutigen Kreise Stade, Cuxhaven, Rotenburg/Wümme und Verden.
Den Begriff »Stader Gruppe« hat 1981 der Prähistoriker Arne Lucke in seiner Hamburger Dissertation erstmals für eine Lokalgruppe der jüngeren Bronzezeit verwendet. Im Gegensatz dazu benutzt Laux die Bezeichnung Stader Gruppe, die er 1987 bei einem Vortrag in Bad Stuer erwähnte und auf die er 1991 in einem Aufsatz zurückgriff, für eine Gruppe, die sich in der älteren, mittleren und jüngeren Bronzezeit behauptete.
Die Stader Gruppe wird zum Nordischen Kreis der Bronzezeit gerechnet. Er umfaßte in der älteren Bronzezeit Südnorwegen, Süd- und Mittelschweden, Dänemark, Schleswig-Holstein, die Gegend von Stade in Niedersachsen und das Küstengebiet in Mecklenburg-Vorpommern. Seine südliche Grenze lag im Raum Stade.
Wie in der Lüneburger Gruppe gab es offenbar auch in der Bevölkerung der Stader Gruppe eine soziale Oberschicht. Darauf deuten die reichen Grabbeigaben in den Steinkistengräbern von Heerstedt (Kreis Cuxhaven) und Essel bei Kutenholz (Kreis Stade) hin. Darin waren vornehme Krieger mit bronzenen Waffen und Schmuckstücken bestattet worden. Im Steinkistengrab von Heerstedt lag zudem eine kostbare verzierte Holzschale. Auch der Klappstuhl von Daensen (Kreis Stade) dürfte zum Besitz eines Menschen von Rang gezählt haben.
Von der Kleidung der Stader Leute blieben nur die bronzenen Fibeln erhalten, mit denen die Gewänder zusammengehalten wurden. Nach den Funden zu schließen, erhielten Rundkopffibeln gegenüber den selteneren Flachkopffibeln den Vorzug. Erstere wurden in Heerstedt, Meckelstedt bei Lintig und Dornsode bei Armstorf (alle im Kreis Cuxhaven) sowie in Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) und Essel bei Kutenholz (Kreis Stade) entdeckt. Eine Flachkopffibel mit Sanduhrkopf kam in Hagenah bei Heinbockel (Kreis Stade) zum Vorschein.
Auf Bart- und Haarpflege weisen die Funde von doppelschneidigen bronzenen Rasiermessern hin. Sie gelten als Neuerungen jener Zeit. Einen solchen Toilettegegenstand kennt man aus Essel bei Kutenholz.
Zum Eigentum bedeutender Persönlichkeiten – vielleicht Häuptlingen – gehörte mitunter ein Klappstuhl mit Lederauflage sowie bronzenen Beschlag- und Schmuckteilen. Reste solch seltener Sitzmöbel wurden bisher nur in Männergräbern der älteren Bronzezeit in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Dänemark geborgen. Als eine der kostbarsten Entdeckungen dieser Art gilt der Klappstuhl aus einem Grabhügel von Daensen bei Buxtehude (Kreis Stade). Es ist der am weitesten südlich gelegene Fund eines derartigen Möbelstückes.
Von den hölzernen Teilen des Klappstuhls aus Daensen sind nur sieben kleine Ahornholzstücke erhalten geblieben. Ein Stück Schafleder verrät, aus welchem Material die einstige Sitzfläche bestand. Außerdem wurden zahlreiche bronzene Beschlag- und Schmuckteile geborgen. Dazu gehören vier Bronzeknäufe mit Klapperblechen, zwei kleinere Bronzeknäufe, vier Bronzebleche mit Goldblechauflage, drei ovale Beschlagteile, zwei rechteckige Beschlagplatten mit Goldblechauflage und einige Bronzefragmente. Die Goldbleche sind mit eingepunzten Punkten und Kreisen verziert.
Der Heidelberger Archäologe Ernst Wahle (1889–1981) hat 1932 darauf hingewiesen, daß die Klappstühle eine Besonderheit der nordischen Bronzezeit darstellen. Nach seiner Auffassung haben diese Sitzmöbel in den thronartigen Klappstühlen und Thronsesseln aus ägyptischen Pharaonengräbern ihr Gegenstück. Am Klappstuhl von Guldhoj bei Vamdrup in Jütland (Dänemark) war das Sitzleder mit Stiften festgeheftet. Dagegen hatte man das Sitzleder des Klappstuhls von Bechelsdorf bei Niendorf (Kreis Nordwestmecklenburg) in Mecklenburg-Vorpommern durch den Hohlschlitz der Längsstäbe geschoben. Der Schaflederrest des Klappstuhls von Daensen verrät, daß Schafe als Haustiere gehalten wurden.
Die schlecht gebrannten und nur selten verzierten Tongefäße der Stader Gruppe gehören zur sogenannten »Kümmerkeramik«. Reste von Tongefäßen lagen manchmal als Beigaben für Verstorbene in Gräbern (Meckelstedt, Quelkhorn). In einem Hügelgrab bei Holtum-Geest (Kreis Verden) wurde ein neun Zentimeter langer und 7,5 Zentimeter breiter Tonlöffel gefunden.
Viel prächtiger als die damaligen Tongefäße sah die in einem Steinkistengrab von Heerstedt (Kreis Cuxhaven) entdeckte Holzschale aus, die leider 1946 bei einem Brand zerstört wurde. Das aus dem Wurzelstock eines Laubbaumes geschnitzte Gefäß mit einer Höhe von 14 Zentimetern und einem Mündungsdurchmesser von 25,5 Zentimetern war auf der Außenseite mit einem Sternmotiv verziert. Hierzu verwendete der Künstler viele kurze Bronzestifte ohne Kopf und etwa 250 Zinnblechkugeln, die er in die einen Zentimeter dicke Schalenwand geschlagen hatte.
Als Hauptmotiv auf der Außenseite der Schale diente ein zwölfstrahliger Stern, der durch die Stiftreihen gebildet wurde. Die Felder zwischen den Strahlen hat man mit Zinnbuckeln gefüllt. Waagrecht über den Spitzen der Strahlen verlief ein durch zwei Stiftreihen gebildetes Linienband, dem sich eine Zone mit einer Reihe von Zinnbuckeln und zum Abschluß zwei Stiftreihen anschloß. Der Boden der Holzschale hatte einen Durchmesser von 8,5 Zentimetern. Er war mit zwei doppelten Stiftkreisen und dazwischen einem lockeren Kreis aus zwölf Zinnbuckeln verziert. Die Schale besaß einen Henkel, an dem zwei kleine bronzene Ringe hingen.
Die Holzschale von Heerstedt war zusammen mit einem bronzenen Vollgriffschwert, einem Absatzbeil, einem Dolch, einer zweiteiligen Fibel mit verziertem bandförmigen Bügel und einem Fingerring zum Vorschein gekommen. Diese Gegenstände gehörten zum Besitz eines vornehmen Kriegers, den man in gestreckter Körperlage in einem Steinkistengrab beigesetzt hatte.
Manche Männerbestattungen in Steinkistengräbern enthielten auch bronzene Messer. Sie gelten nicht als Waffen, sondern als Werkzeuge. Je ein Messer fand man in Essel bei Kutenholz (Kreis Stade) und in Quelkhorn (Kreis Verden).
Zur Waffenausrüstung der Männer gehörte damals – nach Erkenntnissen von Friedrich Laux – stets ein bronzenes Langschwert, das in der Regel mit einem Absatzbeil vom nordischen oder Osthannover-Typ kombiniert wurde. Bronzene Dolche fanden seltener als Schwerter und Beile Verwendung.
Unter Schwertern gab es nordische Vollgriffschwerter, diverse Formen von Griffzungen- oder Griffplattenschwertern und vereinzelt aus Süddeutschland importierte Vollgriffschwerter mit achtkantigem Griff. Derartige Waffen wurden vor allem in Steinkistengräbern gefunden.
Ein nordisches Vollgriffschwert hat man im bereits erwähnten Steinkistengrab von Heerstedt entdeckt. An ihm hafteten noch Reste der verzierten Holzscheide. Griffzungenschwerter wurden in Dornsode und Langen (beide Kreis Cuxhaven) sowie in Quelkhorn bei Ottersberg (Kreis Verden) zutage befördert. Ein Griffplattenschwert kam in Essel zum Vorschein und je ein Vollgriffschwert mit achtkantigem Griff in Meckelstedt sowie in Wiepenkathen (beide Kreis Stade), wovon das letztere besonders prächtig ist.
Die bronzenen Klingen der Absatzbeile steckten in hölzernen Schäften. Reste des Schaftes befanden sich noch an der Klinge des Absatzbeiles, das im Steinkistengrab von Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) entdeckt wurde. Absatzbeile hat man in den Steinkistengräbern von Anderlingen, Dornsode, Essel, Hagenah, Heerstedt, Langen, Meckelstedt und Quelkhorn geborgen. Häufig war der Schäftungsteil der Beilklingen verziert.
Bronzene Dolche lagen außer in den Frauengräbern von Beckdorf und Niendorf auch in Männergräbern. Auf entsprechende Exemplare stieß man in den Steinkistengräbern von Anderlingen, Hagenah, Heerstedt und Meckelstedt, in denen Krieger bestattet worden waren. Der Dolch von Heerstedt hatte acht Nägel, mit denen einst der nicht mehr existierende Griff befestigt war.
Ein Beispiel für den Wegebau um 1200 v. Chr. wurde in einem Moor bei Groß Heins im Kreis Verden entdeckt. Dort überquerte man mit Hilfe einer Reihe größerer Steine das unsichere Gelände. Vermutlich haben die Benutzer dieses Stapfweges auf benachbarten Teilen des Sandbodens gewohnt und Vieh gehalten.
Aus der älterbronzezeitlichen Stader Gruppe oder aus einige Jahrhunderte späterer Zeit könnte das Wagenrad von Beckdorf (Kreis Stade) stammen, das von den Entdeckern zunächst als »Holzdeckel« fehlgedeutet worden ist. Es wurde aus dem Stamm einer fast 70 Zentimeter dicken Erle geschaffen. Derart mächtige Erlenstämme gibt es heute nicht mehr. Das Rad hat einen Durchmesser von 67 Zentimetern. Es ist am Rand fünf Zentimeter und in der Mitte bis zu 10,5 Zentimeter dick. In dem rundlichen Loch von etwa 20 Zentimeter Durchmesser befand sich ursprünglich die röhrenförmige Holznabe.
Die Frauen der Stader Gruppe haben zu Lebzeiten bronzene gedrehte Halsringe, Armschmuck und am Gürtel befestigte Schmuckscheiben getragen. Das Wissen über ihren Schmuck ist bescheiden, weil es in der Stader Gruppe unüblich war, die Frauen mit ihrem gesamten Schmuck zu bestatten, wie es in der Lüneburger Gruppe gehandhabt wurde. Aus diesem Grund dürfte es sich bei einem großen Teil der Gräber ohne Beigaben um Beisetzungen von Frauen handeln.
Lediglich im östlichen Randbereich der Staader Gest sind Frauenbestattungen gefunden worden, die Beigaben enthielten. Sowohl in Beckdorf als auch in Niendorf bei Beckdorf (Kreis Stade) lag jeweils ein bronzener Dolch in einem Frauengrab. Diese Beigabe war für die nordische Bronzezeit typisch, zu der die Stader Geest in der älteren Bronzezeit gehörte.
Die Tote von Beckdorf hatte man in einem Baumsarg zur letzten Ruhe gebettet. Um den Hals trug sie einen gedrehten bronzenen Ring. Links und rechts im Haar oder an einer nicht mehr vorhandenen Kopfhaube prangte je ein zierlicher Spiralring. Vor der Brust steckte eine 25 Zentimeter lange bronzene Nadel im Kleid. Am linken Unterarm hing ein bronzener Armring, während das rechte Bein von einem bronzenen Fußring geziert wurde. Links neben dem Kopfende stand außerhalb des Baumsarges ein verziertes Tongefäß mit vier kleinen Henkeln.
Eine Frauenbestattung in der Tracht der Stader Gruppe liegt vom östlichen Rand der Stader Geest aus Heidenau (Kreis Harburg) vor. Zur Ausstattung jener Verstorbenen
gehören ein gerippter Halskragen, zwei gedrehte Halsringe, ein Armring und zwei kleine am Gürtel befestigte Scheiben. Letztere waren offenbar typisch für die Stader und nordelbische Dithmarscher Gruppe. Diese Frau hatte n die Lüneburger Gruppe eingeheiratet, ihren Dolch abgelegt und die Lüneburger Radnadel als Zeichen der verheirateten Frau erhalten. Einige kegelförmige Hütchen und Spiralröllchen vervollständigten das Ensemble. Da diese Frau in Stader Schmucktracht im Bereich der Lüneburger Gruppe der älteren Bronzezeit lebte und starb, wurde sie nach Lüneburger Sitte mit ihrem gesamten Schmuck beigesetzt, was diese Analyse erlaubt.
Zu den Beigaben für den verstorbenen Krieger im Steinkistengrab auf dem Türlürsberg bei Bramstedt (Kreis Cuxhaven) soll auch ein goldener Ring gehört haben, der sich angeblich am Handgriff eines Schwertes befand. Vielleicht handelte es sich hierbei um eine leicht biegsame goldene Lockenspirale, die um den Schwertgriff gewickelt worden war. Es ist aber auch möglich, daß das goldene Objekt von einem viel jüngeren Schatzfund mit römischen Münzen stammte. Der Türlürsberg soll früher ein Berg von beträchtlicher Höhe gewesen sein, der im Laufe der Zeit immer mehr abgetragen wurde.
Die Menschen der Stader Gruppe haben ihre Verstorbenen unverbrannt bestattet. Über dem Grab wurde ein Hügel aufgeschüttet. Im Verbreitungsgebiet der Stader Gruppe sind die Grabhügel meistens in langezogenen Reihen angeordnet. Während einer kurzen Zeitspanne herrschte die Sitte, den Toten in einem mannslangen Steinkistengrab zu beerdigen. Dieser Gräbertyp wurde in zwei verschiedenen Formen zu gleicher Zeit übernommen. Dabei handelte es sich um die Steinkistengräber der Gruppe Anderlingen-Heerstedt und um die Steinkistengräber der Gruppe Goldbeck-Daudieck.
Die Steinkistengräber der Gruppe Anderlingen-Heerstedt sind nach den Fundorten Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) und Heerstedt (Kreis Cuxhaven) benannt. Charakteristisch für sie ist der rechteckige oder leicht trapezförmige Grundriß von etwa zwei Meter lichter Länge und 0,80 bis einem Meter lichter Breite. Die Längsseiten dieser teilweise in den Boden eingetieften Steinkistengräber bildete man aus mehreren Granitblöcken und jeweils einem breiten Steinblock an den Schmalseiten. Die meistens 0,80 bis einen Meter hohen Steinkistengräber wurden häufig mit zwei oder drei flachen Steinplatten abgedeckt. Der Boden der Grabkammer war stellenweise gepflastert.
Steinkistengräber der Gruppe Anderlingen-Heerstedt kennt man im ganzen Verbreitungsgebiet der Stader Gruppe. Sie wurden in den Kreisen Rotenburg/Wümme (Anderlingen), Cuxhaven (Dornsode, Heerstedt, Langen, Meckelstedt), Stade (Essel), Verden (Hohenaverbergen, Quelkhorn) nachgewiesen. Das Steinkistengrab von Heerstedt hatte einen trapezförmigen Grundriß.
Die Steinkistengräber der Gruppe Goldbeck-Daudieck erhielten ihren Namen nach den Fundstellen Goldbeck bei Beckdorf und Daudieck bei Horneburg (beide im Kreis Stade). Dieser Typ kam nur im Bereich südlich von Stade vor. Die Längsseiten jener Steinkistengräber bestehen jeweils aus einer einzigen langen Steinplatte und je einer kleineren Platte oder einem Findling an den Schmalseiten. Als Abdeckung dienten eine oder zwei flache Steinplatten. Auch solche Steinkistengräber sind in den Boden eingetieft. Die Grabkammer wurde meistens mit einer Packung von Rollsteinen bedeckt.
Steinkistengräber der Gruppe Goldbeck-Daudieck sind auf das Gebiet des Kreises Stade beschränkt. Dazu gehören die Fundorte Daudieck, Goldbeck (Grabhügel 82), Harsefeld, Ahlerstedt und Hagenah bei Heinbockel.
Das Steinkistengrab von Goldbeck mit den Innenmaßen 1,90 mal 0,80 Meter war aus extrem schmalen Steinplatten erbaut und wurde mit einer Steinplatte von 2,40 Meter Länge, einem Meter Breite sowie 20 Zentimeter Dicke bedeckt. Das Steinkistengrab von Daudieck hatte die Innenmaße 1,70 mal 0,90 Metern. Seine Längsseiten wurden durch je eine 1,70 Meter lange, extrem schmale Steinplatte gebildet. Auf der westlichen Schmalseite standen eine flache Steinplatte und dahinter ein Steinblock, den Abschluß der östlichen Schmalseite markierte ein Findling. In den einzigen Deckstein wurden zahlreiche Schälchen eingetieft, deren Zweck unbekannt ist.
Die Steinkistengräber der Stader Gruppe gleichen völlig denen in nördlich anschließenden Gebieten wie in Dithmarschen (Schleswig-Holstein), auf den Nordfriesischen Inseln, im nördlichen Jütland (Dänemark) und auf den Dänischen Inseln. Damit gehören die Steinkistengräber zwischen Weser, Aller und Elbe – laut Friedrich Laux – zur nordischen Bronzezeit, wogegen sie in der Lüneburger Gruppe nicht vorkamen. Ähnliche Gräber erbaute man damals auch in der Bretagne (Frankreich) und im südlichen England.
Das erste Steinkistengrab der Stader Gruppe war schon um 1730 auf dem Türlürsberg bei Bramstedt (Kreis Cuxhaven) bei der Abtragung von Erdreich entdeckt worden. Es wurde 1759 von dem Pastor Martin Mushard (1699–1770) aus Geestendorf bei Bremerhaven – im Stile jener Zeit – phantasievoll als »Monumentum des vergötterten Helden Tür Lürs zu Bramstädt im Herzogthume Bremen« beschrieben.
Außer Steinkistengräbern gab es andere Grabformen wie Langhügel und Totenhäuser. Ein etwa 50 Meter langer und 5,50 Meter breiter Langhügel in der Fischbeker Heide bei Hamburg enthielt zur Überraschung der Ausgräber kein jungsteinzeitliches Großsteingrab, sondern etwa in Höhe der Mittelachse zahlreiche Gräber der älteren Bronzezeit. In Baden bei Achim (Kreis Verden) wurde unter einem Grabhügel eine Totenhütte mit vier Pfosten sowie steinerner Kultnische entdeckt. Darin dürfte eine Körperbestattung in einem Baumsarg gelegen haben. Totenhäuser wurden vor allem in der Lüneburger Gruppe errichtet.
Wie in der Lüneburger Heide wurden auch im Verbreitungsgebiet der Stader Gruppe einige der rätselhaften Rillensteine und Rinnensteine gefunden, so zum Beispiel derjenige vom Forsthaus Hollenbeck (Kreis Stade). Dieser 1,10 Meter hohe Rillenstein wird seit 1979 in der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung des Schwedenspeichermuseums in Stade aufbewahrt.
Als eindrucksvollstes Zeugnis des Kultes der Stader Gruppe gilt der Bildstein von Anderlingen (Kreis Rotenburg/Wümme). Er markierte die südliche Schmalseite eines Steinkistengrabes, auf das Landwirte im Oktober 1907 gestoßen waren, als sie einen Grabhügel abtrugen, um Sand und Steine zu gewinnen. Der Hügel von zwei Meter Höhe und 25 Meter Durchmesser barg eine Grabkammer, die innen zwei Meter lang, 70 Zentimeter breit und einen Meter hoch war. Die Grabkammer bestand aus zwölf Wandsteinen und drei Decksteinen. Darin war ein Mensch, von dem nur noch wenige Skelettreste erhalten geblieben sind, in einem längst verrotteten Baumsarg bestattet.
Zur Zeit der Entdeckung waren die in den 1,15 Meter langen, 0,75 Meter breiten und 0,50 Meter dicken Bildstein eingemeißelten drei menschlichen Gestalten noch nicht erkennbar. Sie wurden durch anhaftenden Sand bedeckt und erst Ende Januar 1908 sichtbar, als der Sand abbröckelte. Bedauerlicherweise haben Einheimische, die den wissenschaftlichen Wert dieses Objekts nicht ahnten, den Bildstein mit weiteren Darstellungen verunziert. Kurz danach besichtigte der damals in Hannover tätige Archäologe Hans Hahne (1875–1935) die Fundstelle und ließ den Bildstein fotografieren.
Die in den Anderlinger Bildstein eingemeißelten drei Gestalten sind nackt und tragen vogelartig wirkende Masken. Ähnliche Vermummungen sind auf südschwedischen Felsbildern zu sehen. Der erste Mensch auf der linken Seite hat die Hände wie zum Gebet erhoben und die Finger gespreizt. Daneben steht in der Mitte ein Mensch, der mit erhobenen Händen ein Beil hält, wie man es von skandinavischen Prozessionsdarstellungen kennt. Rechts davon trägt ein Mensch ein nicht identifizierbares Objekt in seinen Händen und wird von zwei in den Stein eingetieften Schälchen flankiert.
Der rätselhafte Gegenstand in den Händen der rechten Figur auf dem Anderlinger Bildstein wurde von verschiedenen Autoren schon als Opfergabe, Schallinstrument oder rauchende Opferschüssel interpretiert. Die beiden Schälchen an den Seiten der Gestalt hat man als Symbole der Feuererzeugung, des Feuers und der Sonne gedeutet. Und die Figur selbst wurde schon als Frau mit langem Rock verkannt.
Der Prähistoriker Karl Hermann Jacob-Friesen (1886–1960) aus Hannover erachtete den Anderlinger Bildstein als »Dreigötterstein«. Er meinte, die linke Gestalt mit erhobenen Händen sei der Feuergott, die mittlere mit der Axt der Sonnengott und die rechte der Mondgott. Diese Theorie entsprach den Schilderungen von Cäsar und Tacitus über die Götterdreiheit der Germanen. Das Motiv des Mannes mit erhobenen Händen gilt auf nordischen Felsbildern der Bronzezeit auch als Dämon, Tänzer oder Betender (Adorant).
Heute neigt die Fachwelt am meisten zur 1963 von der damals in Hannover arbeitenden Prähistorikerin Clara Redlich vertretenen Ansicht, die drei menschlichen Gestalten auf dem Anderlinger Bildstein stellten den Aufzug einer Bestattungsszene dar. Der Prähistoriker Wolfgang Dietrich Asmus (1908–1993) aus Hannover wertete 1990 die Szene als eine Heilsbeschwörung des im Steinkistengrab bestatteten Menschen, der offenbar eine wichtige Funktion im Rahmen des Sonnenkults innehatte. Alle drei Beschwörer blickten bei der ursprünglichen Ausrichtung des Bildsteins im Steinkistengrab nach Südwesten zur untergehenden Sonne.

Keine Kommentare: