Die Funde von der Walkemühle
Rohfassung eines Textes für das Buch "Deutschland in der Bronzezeit" (1996) von Ernst Probst in alter deutscher Rechtschreibung
Im Bereich der südlichen niedersächsischen Regierungsbezirke Hannover und Braunschweig ließen sich bisher für die jüngere Bronzezeit von etwa 1100 und 800 v. Chr. keine Regionalgruppen ermitteln. Das gilt für die heutigen Kreise Göttingen, Osterrode, Hildesheim, Hannover, Diepholz, Nienburg/Weser, Wolfenbüttel, Braunschweig und Helmstedt.
Die Funde aus dem erwähnten Abschnitt werden von den Archäologen nur allgemein der jüngeren Bronzezeit zugerechnet. Ob es im südlichen Niedersachsen eigenständige Kulturgruppen gab oder ob lediglich Einflüsse aus Nachbargebieten vorlagen, ist gegenwärtig unklar.
Holzkohleresten an der Walkemühle in Göttingen zufolge wuchsen dort Stieleiche (Quercus robur), Traubeneiche (Quercus petraea), Rotbuche (Fagus sylvatica), Hainbuche (Carpinus betulus), Esche (Fraxinus excelsior), Ahorn (Acer), Erle (Alnus), Weide (Salix) und Birke (Betula). Möglicherweise gediehen in dieser Gegend auch Weißdorn (Crataegus laevigata) oder Vogelbeere (Sorbus aucuparia) oder Wildbirne (Pyrus pyraster) oder Wildapfel (Malus sylvestris). Bei letzteren vier Baumarten ist die Holzkohle nur schwer zu unterscheiden.
Tierknochen an der Walkemühle belegen das Vorhandensein von Rothirsch (Cervus elaphus), Reh (Capreolus capreolus), nicht genau identifizierbarem Wildgeflügel und Biber (Castor fiber).
Die Hinterlassenschaften aus der Siedlung an der Walkemühle haben Erkenntnisse über viele Bereiche des Lebens der Menschen aus der jüngeren Bronzezeit vermittelt. So verraten scheibenförmige tönerne Spinnwirtel und Webgewichte von dort, daß Schafwolle gesponnen und gewebt wurde. Die Webgewichte sind kleiner als die Spinnwirtel. Beide Formen hat man in der Mitte durchlocht.
Eine typische bronzene Gewandnadel war die an mehreren Fundorten nachgewiesene Vasenkopfnadel. Aus Weserkiesen bei Stolzenau im Kreis Nienburg/Weser stammt ein bronzener Gürtelhaken, der in einem Stück gegossen wurde. Sein Zentrum besteht aus einem vierspeichigen, durch leichte Wülste verzierten Rad. Zu dessen beiden Seiten ist ein Zierbalken angebracht, von dem jeweils eine Lasche abgeht. Wenn man die Lasche umbog, konnte der Gürtel aus Leder oder Stoff befestigt werden.
Bronzene Rasiermesser lagen gelegentlich in Gräbern. Ein Exemplar aus einer Urne in Lohnde (Kreis Hannover) entspricht seiner Form nach dem Typus der mitteldeutschen Lausitzer Kultur. Daß es auch bronzene Pinzetten zum Haarauszupfen gab, beweist unter anderem ein Grabfund aus Garbsen im Kreis Hannover.
Die Siedlung an der Walkemühle in Göttingen lag an einer erhöhten Stelle der Leine-Talaue. Von diesem Dorf blieben Gruben, Pfostenlöcher und Hüttenlehmreste erhalten. 46 runde Vertiefungen mit flachem Boden und senkrechten Wänden gelten als Vorratsgruben. Dagegen hat man aus unregelmäßigen Gruben unterschiedlicher Größe den Lehm für Tongefäße und zur Verkleidung der Flechtwände der Häuser entnommen.
46 Pfostenlöcher von der Walkemühle ließen sich nicht zu einem Hausgrundriß rekonstruieren. Aber sie zeigen zumindest, daß die Behausungen ein Gerüst mit in den Boden reichenden Pfosten hatten. An den Resten von Hüttenlehm sind Abdrücke von Ruten und einem Fall von einem Pfahl erkannt worden. Die Ruten waren 0,5 Zentimeter bis mehrere Zentimeter dick. Ein Pfahl mit einem Durchmesser von 15 Zentimetern hatte an einem Hüttenlehmfragment einen Abdruck erzeugt.
Eine weitere Siedlung ist bei Runstedt (Kreis Helmstedt) bekannt. Dort sind zwischen 1964 und 1966 sechs Grundrisse von Gebäuden festgestellt worden. Drei davon nahmen eine Fläche von 28, 39 und 49 Quadratmetern ein und dürften Wohnhäuser gewesen sein.
Die Bewohner der Siedlung an der Walkemühle bei Göttingen waren Ackerbauern und Viehzüchter. Sie säten und ernteten die Getreidearten mehrzeilige Gerste (Hordeum vulgare), Emmer (Triticum dicoccon), Einkorn (Triticum monococcum), Saatweizen (Triticum aestivum) und Rispenhirse (Panicum miliaceum). Außerdem bauten sie Erbsen (Pisum sativum) an.
Bei Harkenbleck unweit von Hemmingen im Kreis Hannover lagen 842 Gramm verkohltes Getreide und ein Tongefäß in einer Vorratsgrube. Die Grube war mehr als einen Meter tief, ihr Durchmesser betrug zwei Meter. Die Getreidereste stammen vor allem von Emmer, daneben von mehrzeiliger Gerste, Rispenhirse, Einkorn und Nacktgerste (Hordeum vulgare var. nudum). Die wenigen Unkrautsamen darunter wurden als Kornrade (Agrostemma githago), Roggentrespe (Bromus secalinus) und Windenknöterich (Polygonum convolvulus) identifiziert.
Das reife Getreide wurde mit steinernen und bronzenen Sicheln geschnitten. Feuersteinsicheln sind von der Walkemühle in Göttingen und Bronzesicheln von Cattenbühl im Kreis Göttingen bekannt. An der Walkemühle kamen auch Mahlsteine zum Vorschein.
Einem vielleicht etwas zu phantasievollen Fundbericht zufolge soll 1918 im Lichtenmoor bei Steimbke (Kreis Nienburg/Weser) je ein Tongefäß der Spätbronzezeit und der Frühlatène-Zeit entdeckt worden sein, die Hinweise auf den Verzehr von Weintrauben enthielten. Im spätbronzezeitlichen Gefäß lag angeblich ein männlicher Kopf auf den Blättern von Wildem Wein (Vinivera sylvestris). Zwischen den Weinblättern sollen sich Weintraubenkerne befunden haben.
Die Viehzüchter der Siedlung an der Walkemühle hielten Rinder, Schweine, Schafe oder Ziegen, Pferde und Hunde als Haustiere. Vom Rind konnten über 50 Prozent der Knochenfunde, vom Schwein knapp 22 Prozent, von der Ziege beziehungsweise vom Schaf zwölf Prozent sowie vom Pferd und vom Hund ein bis zwei Prozent bestimmt werden. Andere Knochenreste stammen von Wildtieren.
In der Gegend von Göttingen sind etliche Sandstein-Halbhöhlen (Abris) wiederholt von Menschen aufgesucht worden. Wie Funde gerösteter Haselnüsse (Corylus avellana) und Bucheckern (Fagus silvatica) sowie Himbeerreste (Rubus idaeus) zeigen, geschah dies vor allem im Sommer und Herbst. Nach Ansicht des Göttinger Prähistorikers Klaus Grote waren die längerfristig bewohnten Halbhöhlen saisonale Außenstationen für die Nutzung des Waldes mit seinem Angebot an Sammelfrüchten, für die Waldhutung (besonders der Schweine) und die Jagd auf das Standwild. In unsicheren Zeiten dienten die Halbhöhlen wohl auch als Zufluchtsorte.
Von längeren Aufenthalten dort zeugen Herdstellen, Steinsetzungen, Gruben, Baulehm, Röstöfen für Haselnüsse und Bucheckern sowie Reste von Keramik, Getreide, Haustieren, Jagdwild und Fischen. An Kulturpflanzen sind Weizen, Gerste, Hirse und Ackerbohnen nachgewiesen. Die Haustierknochen stammen vom Rind, Schwein, Pferd, Hund, Schaf oder von der Ziege, die Jagdtierknochen vom Rothirsch (Cerphus elaphus), Reh (Capreolus capreolus), Wildschwein (Sus scrofa) und Biber (Castor fiber), die Fischreste vom Hecht (Esoc lucius) und Döbel (Leuciscus cephalus).
Welche Tongefäße die Töpfer im südlichen Niedersachsen modellierten, zeigen Objekte von der Walkemühle bei Göttingen. Dort wurden hohe Schalen mit Henkel, Doppelkoni, Tassen, Schöpfgefäße und Tonstützen (»Briquetage«) geformt. Tonscheiben mit mehreren Löchern dienten als Siebeinsatz in Gefäßen, Tonscheiben ohne Löcher als Deckel. Die Tongefäße von der Walkemühle sind häufig mit Fingernagel- und Fingerkuppen-Eindrücken verziert. Seltener ist das Dekor durch Abrollen von gedrehten Ringen auf dem weichen Ton.
Reliefornamentierte Lappenschalen aus dem südlichen Niedersachsen wurden ähnlichen Tongefäßen der süddeutschen und mittelrheinischen Urnenfelder-Kultur nachempfunden. Solche Gefäße kennt man aus Hannover-Ricklingen, Hannover-Wülfel, Letter im Kreis Hannover sowie Landesbergen und Loccum im Kreis Nienburg/Weser.
Ein Siedegefäß und Tonstützen gelten als Indiz für die Salzgewinnung und den Salzhandel. Ein neun Zentimeter hohes tönernes Siedegefäß mit verdicktem Boden kam in der Siedlung an der Walkemühle in Göttingen zum Vorschein. Es belegt nach Ansicht des damals in Wolfenbüttel arbeitenden Prähistorikers Ralf Busch keine Salzgewinnung in der näheren Umgebung, sondern deutet eher auf Salzhandel hin. Auf Salzproduktion dagegen lassen drei Reste von Tonstützen aus der erwähnten Siedlung bei Runstedt schließen.
In der Siedlung an der Walkemühle wurden außerdem Reste der Werkstatt eines Bronzegießers entdeckt. Mit den dort aus Gruben geborgenen Gußformen konnte man mindestens sieben verschiedene Gegenstände gießen. Dazu gehören unter anderem ein Knopf, eine große Lanzenspitze, eine Art »Meißel« und nicht mit Sicherheit bestimmbare Objekte wie vier oder fünf gemeinsam gegossene Stäbe, die vielleicht Teil einer Schmuckgarnitur waren.
Zu den Funden von der Walkemühle zählen des weiteren 92 Gießformfragmente, Formlehmreste und drei Wandungsscherben einer Herdeinfassung aus sehr feinem Lehm. Sämtliche Formen wurden mit Hilfe fester Modelle angefertigt, die man im Lehm abgedrückt hat.
Aus Schinna im Kreis Nienburg/Weser liegen ebenfalls Hinterlassenschaften eines Bronzegießers vor. Es sind eine zweiteilige bronzene Gußform für Tüllenbeile mit Henkelöse, die Hälfte einer Gußform für eine Knopfsichel, eine Knopfsichel, eine Lanzenspitze, ein Tüllenhammer und zwei Halsringe. Die Gußform für Tüllenbeile ist an der Außenseite mit zwei Ösen versehen, durch die man Schnüre oder Riemen durchziehen konnte, um die beiden Schalen beim Guß zusammenzuhalten.
In Watenstedt (Kreis Helmstedt) konnte das Depot eines Bronzegießers oder Händlers freigelegt werden. Es umfaßte Brucherzstücke, Gußbrocken, Sicheln und Schmuck-stücke.
Die bronzenen Beilklingen unterscheiden sich in Absatzlappen-, Lappen- und Tüllenbeile. Absatzlappenbeile sind von Gronau (Kreis Hildesheim) und von der Deisterpforte bei Springe (Kreis Hannover) bekannt. Als etwas jünger gelten die Lappenbeile von Burgstemmern (Kreis Hildesheim), Döhren (Kreis Hannover) und Oyle (Kreis Nienburg/Weser). Häufiger als diese Beilformen sind die Tüllenbeile aus der Gegend zwischen Hannover und Nienburg.
Die Werkzeuge wurden teilweise aus Stein und Geweih angefertigt – möglicherweise geschah dies aus Mangel an Bronze. An der Walkemühle bei Göttingen fand man neben den bereits erwähnten Bruchstücken von Mahlsteinplatten auch Beile, Sicheln, Schleif- und Klopfsteine aus Felsgestein sowie Messer, Sicheleinsätze und Klingen aus Feuerstein
Die aus Geweih hergestellten Geräte von der Walkemühle weisen Schnitt- und Bruchspuren auf und sind teilweise durchlocht. Spitze Werkzeuge dienten möglicherweise als Hacken. Zwei andere Geräte von dort eigneten sich zum Glätten.
Geweihäxte waren weit verbreitet. Ein Exemplar aus Hildesheim ist mit Punktkreisen geschmückt, ein Fund aus der Weser bei Landesbergen (Kreis Nienburg/Weser) wurde mit zahlreichen doppelten Punktkreisen und gürtelartigen Linienmustern verschönert. Da letzteres Objekt schräg durchlocht ist und keinerlei Gebrauchsspuren an der Schneide aufweist, ist es nach Ansicht des Bremer Prähistorikers Karl Heinz Brandt unwahrscheinlich, daß dieses Gerät als Jagd- oder Kriegswaffe oder als Werkzeug benutzt wurde. Er deutet das Objekt als Griff einer Stabkrücke.
Die Pfeilspitzen von der Walkemühle in Göttingen sind meistens aus Feuerstein zurechtgeschlagen worden. Nur eine Pfeilspitze von dort besteht aus Kieselschiefer.
Im Barnstorfer Moor (Kreis Diepholz) kam der Rest eines Speichenrades aus Eichenholz zum Vorschein. Der Entdecker hat die Stücke auf seinem Wohnzimmerschrank trocknen lassen. Dabei zerfielen die Speichenreste, nur das vollständige Felgensegment blieb erhalten. Das Felgenstück enthält zwei Bohrungen für die Speichenzapfen.
Eine Rekonstruktion durch den Moorforscher Hajo Hayen (1923-1991) aus Oldenburg ergab einen ursprünglichen Durchmesser des Speichenrades von etwa 90 Zentimetern. Die Lauffläche war einst etwa 6,5 Zentimeter breit. Insgesamt hatte dieses Rad zehn Speichen, deren Zapfen in Bohrungen von je drei bis 3,2 Zentimeter Durchmesser steckten. Die Bohrungen reichten 9,5 Zentimeter tief bis in die Lauffläche des Radkranzes hinein. 1992 baute ein Stellmacher – nach Berechnungen und Umzeichnungen des Oldenburger Restaurators Reinhard Schneider – zwei Speichenräder aus Eichenholz nach.
Das genaue Alter des Speichenrades aus dem Barnstorfer Moor ist nicht bekannt. Den Altersdatierungen von Mebus Geyh vom C14-Labor im Niedersächischen Landesamt für Bo-denforschung in Hannover zufolge stammt das Speichenrad aus der Zeit zwischen 1269 und 900 v. Chr. Eine andere Datierung ergab ein Alter zwischen 1152 und 831 v. Chr. Das Speichenrad könnte also sowohl aus der ausgehenden älteren Bronzezeit als auch in der mittleren oder jüngeren Bronzezeit hergestellt worden sein.
Während der Bronzezeit wurden über längere Zeiträume hinweg dreiteilige Scheibenräder und Speichenräder nebeneinander genutzt. Wegen einer Reihe von Vorteilen setzte sich das Speichenrad jedoch nach Beseitigung der anfänglichen Konstruktionsschwächen nach und nach endgültig durch.
Die Scheibenräder waren durch ihre größere zusammenhängende Holzmasse rißempfindlicher. Durch Austrocknung und durch harte Stöße konnten aus feinen Haarrissen große Spaltrisse entstehen, die das Scheibenrad schnell zerstört hätten. Nach den archäologischen Funden zu schließen, rissen die Radscheiben des öfteren in Längsrichtung der Faser auseinander. Die Speichenräder dagegen bestanden aus einer größeren Anzahl unterschiedlicher Holzteile und -arten.
Bei Speichenrädern werden die auftretenden Kräfte – wie Druck, Zug und Stoß – besser verteilt und abgeleitet als bei Scheibenrädern. Durch die im allgemeinen größere Radhöhe ließen sich Fahrzeug mit Speichenrädern auch leichter fahren. Sie konnten zudem größere Lasten tragen. Ein gut gebautes Speichenrad hielt oft länger als ein Menschenleben.
Bei Tauschgeschäften wechselten unter anderem Tongefäße, Salz, Werkzeuge, Waffen und Schmuckstücke den Besitzer.
Verschiedene Formen der bronzenen Vasenkopfnadeln beispielsweise spiegeln Einflüsse der süddeutschen Urnenfelder-Kultur wider. Sie könnten importiert oder nachgeahmt worden sein. Vasenkopfnadeln dienten zum Zusammenhalten der Oberbekleidung.
Die Toten hat man verbrannt, ihre Knochenreste in tönerne Urnen geschüttet und diese ohne Steinschutz in Flachgräber gestellt. Manchmal wurde die Urne mit einer Deckschale verschlossen. Die Urnen liegen entweder weit voneinander entfernt oder so dicht beisammen, daß man an Bestattungen von Familien denken könnte. Nur selten wurden den Toten bronzene Beigaben wie Nadeln, Rasiermesser oder Pinzetten mit ins Grab gelegt.
Friedhöfe der jüngeren Bronzezeit sind aus Jühnde (Kreis Göttingen) sowie von Gut Heinsen bei Eime, Sehlde und Werder (alle drei im Kreis Hildesheim) bekannt. In Jühnde beispielsweise handelt es sich um ein Brandgräberfeld mit 95 Gräbern und 13 Gruben aus der Jungbronze- und Früheisenzeit.
Von der üblichen Bestattungssitte weicht ein Flachgrab auf dem Klütberg bei Landesbergen (Kreis Nienburg/Weser) ab. Dort wurde der Leichenbrand nicht in eine Urne geschüttet, sondern auf dem Boden ausgestreut. Ungewöhnlich sind ferner die acht Schalen und Näpfe sowie Scherben weiterer Gefäße. Diese Bestattungsart entspricht der Beigabensitte der mitteldeutschen Lausitzer Kultur, die hier wohl nachgeahmt wurde.
Zudem weisen die Ornamente etlicher Urnen von den Friedhöfen Hannover-Döhren, Hannover-Engesode, Hannover-Ricklingen, Garbsen und Letter (Kreis Hannover) auf Verbindungen zu einer fortgeschrittenen Phase der Lausitzer Kultur hin. Die Form und – noch häufiger – die Verzierung der Urnen wurden imitiert.
Im Ortsteil Winzlar von Rehburg-Loccum (Kreis Nienburg/Weser) diente ein bronzenes Hängebecken als Behältnis für den Leichenbrand eines etwa 40 bis 50 Jahre alten Mannes. Dieses Hängebecken hat einen Durchmesser von 31,6 Zentimetern und eine maximale Höhe von 18,7 Zentimetern. Es gilt als das bisher größte aufgefundene Exemplar überhaupt. Unter dem Rand ist es mit zwei Riemenösen und innen mit einem siebartig durchbrochenen Kragen ausgestattet. Neben dem Leichenbrand enthielt es eine Goldnadel.
Zwischen den Löchern des Hängebecken-Kragens blieben Reste einer glasartigen Masse erhalten. Das Hängebecken wurde in einem Stück gegossen und später nochmals erhitzt, um die glasartige Substanz aufzuschmelzen. Als Deckel diente vielleicht eine größere Terrine, von der Scherben gefunden wurden.
Die Hängebecken der jüngeren Bronzezeit sind früher wie die Gürteldosen der älteren Bronzezeit als Gürtelschmuck gedeutet worden. Doch dies erscheint wegen ihrer Größe und ihres Gewichtes nicht logisch, sagt der Prähistoriker Otto Mathias Wilbertz aus Hannover. Aufgrund ihrer gewölbten oder kegelförmigen Unterseite eignen sich die Hängebecken auch nicht zum Hinstellen auf eine ebene Fläche. Sie müssen daher entweder in einen speziellen ringförmigen Ständer gestellt oder, wie der Begriff Hängebecken ausdrückt, aufgehängt worden sein. Die reich verzierte Unterseite dürfte wohl die Schauseite gewesen sein.
Hängebecken kamen meistens in Depots, aber auch als Einzelfunde zum Vorschein. In Depots dienten sie häufig als Behälter für übrigen Gegenstände.
Die Toten wurden in Urnenfriedhöfen mit flachen Grabhügeln bestattet, die teilweise von Kreis- oder Schlüssellochgräben umgeben sind. Solche Anlagen waren damals vom Münsterland im Süden bis in die westlichen Niederlande verbreitet, außerdem im Osnabrücker Raum, im Emsland, auf der Oldenburger Geest und wohl auch in Ostfriesland. Die Friedhöfe sind teilweise recht groß und wurden meistens bis in die frühe Eisenzeit benutzt.
Die tönernen Urnen, in denen der Leichenbrand aufbewahrt wurde, lassen sich in doppelkonische Formen und Kegelhalsgefäße unterscheiden. Unter den Beigaben für die
Toten fallen besonders die mehr oder weniger rechteckig geformten bronzenen Rasiermesser und die zahlreichen bronzenen Nadeln mit einem kleinen Vasenkopf auf.
Unweit von Reinhausen im Kreis Göttingen ist man in einer Halbhöhle (Abri Bürgertal IV) auf eine runde Opfergrube mit einem Durchmesser von 1,30 Metern und einer Tiefe von 0,80 Meter gestoßen. Darin lag unter einem Stapel von vier waagrechten Sandsteinplatten von jeweils über einem Zentner Gewicht und einer fünften, die hochkant auf der unteren Platte stand, die Weihegabe: nämlich das zweisprossige Endstück eines Rothirschgeweihes von 40,6 Zentimeter Länge.
Wie in Thüringen und in Süddeutschland wurden im südlichen Niedersachsen zuweilen Menschen in Höhlen geopfert. Daran lassen die Funde in der Lichtensteinhöhle bei Dorste (Kreis Osterode) kaum Zweifel aufkommen. Weit vom Eingang dieser 115 Meter langen Höhle entfernt, fanden sich die zerstreuten Skelettreste von zwei oder sogar drei Dutzend Menschen. Es waren vor allem Kinder und Jugendliche und nur wenig Erwachsene.
Die Lichtensteinhöhle besteht aus einem 48 Meter langen vorderen Teil, der in einer extremen Engstelle endet. Dahinter befindet sich ein nahezu 70 Meter langer Teil, in dem die Reste der Menschenopfer lagen. Nach Ansicht der Ausgräber ist es unmöglich, daß die Leichen von Menschen erst nach ihrem Tode dorthin gebracht worden waren. Auch eine Deponierung von Leichenteilen hält man für unwahrscheinlich, weil ein Teil der Knochen noch in anatomischem Verband vorgefunden wurde.
Die Experten gehen davon aus, daß die Menschen erst in der Höhle ums Leben kamen. Dabei wird ein gemeinsamer Unfalltod, etwa durch Einsturz des Höhleneingangs, ausgeschlossen. Statt dessen drängt sich der Eindruck auf, daß in der Lichtensteinhöhle ebenso wie in Thüringen und Süddeutschland Menschen in Höhlen geopfert worden sind.
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