»Heiliges Geld« für die Götter
Rohfassung eines Textes für das Buch "Deutschland in der Bronzezeit" (1996) von Ernst Probst in alter deutscher Rechtschreibung
Von etwa 2300 bis 1600 v. Chr. war in Südbayern (Niederbayern, Oberbayern sowie teilweise in der Oberpfalz und Schwaben) die Straubinger Kultur verbreitet. Ausläufer behaupteten sich auch in Oberösterreich, im Land Salzburg und im Raum Kufstein in Nordtirol. Ihre Metallhandwerker haben in der frühen Stufe noch Erzeugnisse aus unlegiertem Kupfer und erst in der späten Stufe aus Bronze hergestellt. Die Straubinger Kultur gilt als die älteste Kultur der Frühbronzezeit im östlichen Süddeutschland.
Der Begriff »Straubinger Kultur« wurde 1902 durch den damals am Römisch-Germanischen Zentralmuseum, Mainz, arbeitenden Prähistoriker Paul Reinecke (1872–1958) geprägt, der ab 1908 als Konservator am Generalkonservatorium der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns in München wirkte. Der Ausdruck bezieht sich auf mehrere Gräberfelder im Raum Straubing, von denen das in der Ziegelei Ortler am frühesten entdeckt wurde.
Der etwa von 1800 bis 1600 v. Chr. währende späte Abschnitt der Straubinger Kultur wird auch Langquaid-Stufe genannt. Diese Bezeichnung geht ebenfalls auf Paul Reinecke zurück. Er hatte 1924 den an drei Fundorte erinnernden Namen »Stufe von Trassem-Langquaid-Tinsdahl« erfunden. Heute spricht man nur noch von der Langquaid-Stufe nach dem Depotfund von Langquaid (Kreis Kelheim) in Niederbayern.
Wie die Funde aus den Gräbern zu belegen scheinen, waren die Männer der Straubinger Kultur nicht sehr kriegerisch. Zu dieser Erkenntnis gelangte der Marburger Prähistoriker Friedrich Holste (1908–1942). Den Reichtum in den Frauengräbern wertete er als Anzeichen dafür, daß die Frauen völlig gleichberechtigt gewesen seien.
Untersuchungen der Skelettreste aus den Gräbern von München-Englschalking und Poing (Kreis Ebersberg) durch den Münchener Anthropologen Peter Schröter ergaben für die Männer eine Körperhöhe bis zu 1,69 Metern und für die Frauen bis zu 1,59 Metern. Ein Mann aus Anzing (Kreis Ebersberg) erreichte 1,73 Meter. Die Schädel waren meistens rundlich und kurz.
An den Gebissen stellte Schröter stark abgekaute Zähne, Karies und Zahnstein fest. Außerdem waren manchmal Weisheits- oder Schneidezähne nicht angelegt. Ein Mann aus München-Englschalking und eine Frau aus Poing litten unter einem Wurzelspitzenprozeß. Einem etwa neun Jahre alten Kind in Poing war im Unterkiefer der rechte erste Milchbackenzahn ausgefallen, im Oberkiefer fehlten beide seitlichen Schneidezähne.
Siebartige Porositäten des Augenhöhlendachs (Cribra orbitalia) bei zwei Frauen in Poing und einer Frau in München-Englschalking deuten auf Eisenmangel in der Nahrung hin. Bei einem Mann von Poing waren zwei Halswirbelkörper verwachsen. Ein anderer Mann in Poing hatte an beiden Schienbeinen eine »Hockerfacette«, die durch häufiges Hocken auf der Ferse entstand.
In Mangolding (Kreis Regensburg) wurde ein Schädel mit einer verheilten Schlagverletzung geborgen. Als Folge eines Schlages wird auch das leicht deformierte Nasenbein eines Mannes aus Poing gedeutet. Im Wochenbett ist vermutlich eine in Langenpreising (Kreis Erding) zusammen mit einem Säugling bestattete Frau gestorben. Ein Männerschädel aus Königsbrunn (Kreis Augsburg) weist Spuren einer Operation (Trepanation) auf.
Fragmente feinen Leinengewebes – einmal mit Resten eines eingewebten Wollstreifens – verraten, aus welchen Materialien die Kleidung angefertigt wurde. Viele tönerne, spitzkegelige Webgewichte aus Siedlungen spiegeln die hochentwickelte Webkunst wider. Nadeln hielten die Gewänder von Männern und Frauen zusammen. Damit sie nicht herausrutschten, zog man mitunter einen Faden durch den ringförmigen Nadelkopf und wickelte ihn um die Nadelspitze, die aus dem Stoff ragte.
Als Kopfbedeckung trugen die Frauen eine Haube aus schwerem Stoff oder Leder. Lederreste, die auf der Rückseite eines Blechbandes hafteten, wurden in einem Grab am Alburger Hochweg in Straubing entdeckt. Das Blechband war vermutlich auf ein Band oder eine Haube genäht. Hauben sind damals im Donauraum weit verbreitet gewesen.
Die Straubinger Leute wohnten meistens in einzelnen Gehöften oder in aus wenigen Hütten bestehenden Weilern. An Ufern von Flüssen waren ihre Siedlungen manchmal fast wie an einer Perlenkette aufgereiht. In Kelheim fand man Hinweise auf in Gruben eingetiefte Hütten.
Hüttenlehm mit Abdrücken von Hölzern und Rutengeflechten sind aus Straubing (Ziegelei Jungmeier) und Geltofing (Kreis Straubing-Bogen) bekannt. Das Bauholz war manchmal bis zu 20 Zentimeter dick. Dem Lehm mengte man Getreidespelzen und -körner bei, damit er beim Trocknen nicht riß. Weißliche und mehlig-graue Farbspuren an Hüttenlehm aus Straubing (Ziegelei Jungmeier) stammten wohl vom Anstrich.
In der Übergangszeit zwischen jüngerer Frühbronzezeit und älterer Mittelbronzezeit existierte eine fünf Häuser umfassende Siedlung an einem alten Donauzulauf südlich von Zuchering bei Ingolstadt in Bayern. Dort waren die Behausungen etwa 20 bis 25 Meter lang und sechs bis zehn Meter breit. In den Fußboden hatte man tönerne Vorratsgefäße eingelassen. Der für den Verputz der Wände benötigte Lehm wurde aus Gruben in der Umgebung der Häuser entnommen. Weitere Flachlandsiedlungen aus der Frühbronzezeit kennt man aus Gaimersheim (Kreis Eichstätt), Sengkofen (Kreis Regensburg) und möglicherweise auch aus
Malching (Kreis Passau).
Außer Siedlungen im Flachland wurden gegen Ende der Frühbronzezeit auch Siedlungen in Höhenlage errichtet. Unbefestigte Höhensiedlungen sind auf dem Schloßberg von Kallmünz (Kreis Regensburg) und auf der Reisensburg bei Günzburg (Kreis Günzburg) errichtet worden.
Höhensiedlungen, die durch hohe Wälle geschützt waren, vermutete man früher auf dem Margarethenberg bei Burgkirchen an der Alz, auf dem Einsiedelbuckel bei Passau, auf dem Bogenberg bei Straubing und auf dem Frauenberg bei Weltenburg. Doch neuerdings wird die Existenz von solchen »Burgen« zumindest auf dem Bogenberg und dem Frauenberg bezweifelt, weil man dort bei neuen Grabungen keine diesbezüglichen Beweise fand.
Daß die Straubinger Leute möglicherweise auch auf Inseln in Seen siedelten, belegen die Funde von der Roseninsel im Starnberger See. Außerdem hat man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angeblich im Alpsee bei Immenstadt, im Ammersee und im Chiemsee Reste von »Pfahlbauten« entdeckt, doch diese alten Funde sind verschollen und nicht überprüfbar.
In vielen Höhlen Südbayerns zeugen Keramikreste aus der späten Frühbronzezeit von Aufenthalten damaliger Menschen. Das war in der Höhle bei Arnsberg, dem Silberloch im Essinger Forst, der Maihöhle im Hienheimer Forst, der Nische am Heidenstein von Neuessing und im Schulerloch bei Neuessing (alle im Kreis Kelheim) sowie in der Höhle Altes Haus und der Höhle im Lohberg von Geroldsee-Krumpenwinn (beide im Kreis Regensburg) und der Buchschlaghöhle bei Rohrbach (Kreis Neuburg-Schrobenhausen) der Fall.
Getreidespelzen im Hüttenlehm und in tönernen Webgewichten sowie Abdrücke von Getreidekörnern in Scherben von Tongefäßen lieferten Hinweise auf den Ackerbau. Fundort all dieser Relikte war Straubing (Ziegelei Jungmeier), wo auch ein Mahlstein geborgen wurde. In Zuchering-Süd fand man neben Resten der Getreidearten Gerste (Hordeum vulgare), Emmer (Triticum dicoccon) und Einkorn (Triticum monococcum) sowie vermutlich Dinkel (Triticum spelta) den gezähnten steinernen Einsatz einer Sichel für die Ernte.
Tierknochen und -zähne aus Siedlungen und Gräbern sind Indizien für die Haltung von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Hunden und Pferden als Haustiere. Backenzähne und Unterkieferhälften von Rindern kamen in Gräbern und anderen Stellen von Raisting am Ammersee (Kreis Weilheim-Schongau) zum Vorschein. Aus dem Mittelhandknochen einer erwachsenen Kuh von Zuchering-Süd ließ sich eine Widerristhöhe von 1,11 Metern errechnen, aus dem Fersenbein eines Schafes von dort eine Widerristhöhe von mindestens 64 Zentimetern. Skelettreste eines Schafes fand man in der Kiesgrube Dendl in Straubing. In Alteglofsheim (Kreis Regensburg) wurde ein Hundeskelett geborgen, in Zuchering-Süd ein Hundeknochen mit Abhäutungsspuren.
Hirschgeweihstücke in Siedlungsgruben und Eberzähne in Gräbern dokumentieren vermutlich die gelegentliche Jagd auf Rotwild (Cervus elaphus) und Wildschweine (Sus scrofa). Bei den Schalen der Flußmuscheln in Straubinger Abfallgruben könnte es sich um Speisereste handeln.
Zum tönernen Eßgeschirr gehörten Schüsseln und Schalen und zu den Trinkgefäßen Becher, Krüge und einhenkelige Töpfe. Nahrungsmittel bewahrte man in großen Vorratsge-fäßen auf. Die Außenwandung der Grobkeramik war meistens mit Schlick beworfen, die Gefäßschulter fast immer mit einer oder zwei Tupfenleisten verziert. Werkstoff der Feinkeramik ist ein sehr feinkörniger Ton. In Ornamentrillen der Feinkeramik hafteten manchmal noch Reste weißer Kalkpaste.
Als typische Tongefäße der Langquaid-Stufe gelten große Vorratsgefäße (Pithoi), Henkelkannen und Schalen. Die Pithoi haben ein mit Schlick beworfenes, rauhes Unterteil, ein glattes Oberteil und als Verzierung eine Kerbleiste, die häufig doppelhalbmondförmige Eindrücke aufweist. Die Henkelkannen sind oft mit horizontalen Linien oder punktgefüllten Dreiecken verschönert. Die Schalen hat man mit abgesetzten, breiten Randlippen und Henkeln versehen.
Als Rohstoff für die Kupfererzeugnisse der frühen Straubinger Kultur diente wohl vor allem das in den Nord- und Ostalpen vorkommende Kupfererz, das zu Barren geschmolzen wurde. Da die Barren der Straubinger Kultur – im Gegensatz zu denen im Bodenseegebiet und in Mitteldeutschland – ring- und stangenförmig statt beilartig waren, dürften diese unterschiedlich schweren Rohprodukte gewogen worden sein, um in verschiedenen »Währungen« tauschen zu können.
Das bisher größte Barrendepot der Frühbronzezeit in Süddeutschland wurde 1970 bei Erdbewegungen für eine Skiabfahrt auf dem Fuderheuberg bei Mauthausen (Kreis Berchtesgadener Land) entdeckt. Dort barg man insgesamt 628 Ringbarren und 119 Fragmente von solchen im Gesamtgewicht von etwa 150 Kilogramm. Das Depot wird im Museum Bad Reichenhall aufbewahrt.
Vorher hatte das 1928 von Arbeitern im Luitpoldpark von München-Schwabing aufgespürte Barrendepot mit 500 Stangenbarren im Gesamtgewicht von etwa 85 Kilogramm als das größte Barrendepot in Süddeutschland gegolten. Die zumeist aus Arsenbronze bestehenden Barren sind 19,4 bis 23,5 Zentimeter lang, durchschnittlich etwa 170 Gramm schwer und in etwa einem Meter Tiefe zum Vorschein gekommen.
Depots mit mehr als 100 Ösenringbarren kennt man auch von Pöcking (Kreis Starnberg), Bernhaupten (Kreis Traunstein) und Gammersham (Kreis Rosenheim).
Beweise für den Bronzeguß der Langquaid-Leute lieferte die Höhensiedlung am Burgberg in Karlstein bei Bad Reichenhall (Kreis Berchtesgadener Land). Dort wurden Reste von drei steinernen Gußformen zutage gefördert, mit denen man Langquaid-Beile, Barren und Dolchklingen mit stark ausgeprägter Mittelrippe gießen konnte. Als Langquaid-Beile werden bronzene Randleistenbeile mit schmaler Bahn und halbkreisförmiger Schneide bezeichnet. Die Beile vom namengebenden Fundort Langquaid sind 14,4 bis 20,2 Zentimeter lang. Sie hatten vermutlich einen hölzernen Stiel.
Außer dem Depot in Langquaid wurden in Bayern weitere Funde mit Langquaid-Beilen und anderen Metallerzeugnissen entdeckt. Das Depot von Ittelsburg (Kreis Unterallgäu) zum Beispiel enthielt fünf Langquaid-Beile, zwei andere Beile, zwei Beilbruchstücke und ein barrenartiges Fragment, einen Schmalmeißel, einen Dolch, zahlreiche Gußbrocken und einen Noppenring aus Golddraht. Zum Depot von Regensburg-Hochweg gehörten acht Langquaid-Beile, neun Knickrandbeile, zwei böhmische Absatzbeile, ein sehr schmales, langgestrecktes Beil mit hohen Randleisten, 19 kupferne Gußreste, ein Tongefäß sowie zwei Noppenringe aus Golddraht und ein gedrehter (tordierter) Goldring.
Die Beilklingen dürften zum größten Teil Waffen und nur selten Werkzeuge zur Holzbearbeitung gewesen sein. Diese Beilklingen besaßen kein Schäftungsloch wie die Axtklingen, in das der hölzerne Stiel gesteckt werden konnte. Man befestigte die Beilklingen an Abzweigungen von Kniehölzern.
Die zusammen mit einem Dolch in einem Männergrab von Alteglofsheim (Kreis Regensburg) zum Vorschein gekommene 20 Zentimeter lange Klinge eines zepterartigen Prunk-beils stammt aus dem schweizerischen Kanton Wallis. Der Besitzer dieser Waffen dürfte eine gehobene Stellung innegehabt haben, da für ihn ein mehr als zwei Meter tiefer Grabschacht ausgehoben wurde und zu seinen Grabbeigaben eine Ösenkopfnadel, zwei Spiralröllchen, ein Armring, acht tönnchenförmige Bronzeperlen und ein kleiner Lockenring aus Gold gehörten.
Weitere Waffen waren Kupferdolche, die meistens verstorbenen Männern, aber auch einigen weisen Frauen ins Grab mitgegeben wurden. Eine Frauenbestattung mit Dolch kennt man aus Gernlinden (Kreis Fürstenfeldbruck). Die meistens sechs bis zehn Zentimeter lange Klinge war mit zwei oder drei Nieten an einem Griff aus Holz befestigt und mitunter verziert. In Straubing (Ziegelei Jungmeier) kam ein nur vier Zentimeter langer Miniaturdolch zum Vorschein.
Nach der chemischen Zusammensetzung des Kupfers zu urteilen, waren die meisten Dolche der frühen Straubinger Kultur heimische Erzeugnisse. Doch es wurden auch welche von der südwestdeutschen Adlerberg-Kultur oder von der Aunjetitzer Kultur in Mitteldeutschland verwendet. Als Importe aus dem nördlichen Mitteleuropa gelten vier Kupferdolche aus Ingolstadt, die wegen ihrer Verbreitung dem Oder-Elbe-Typus zugerechnet werden. Dessen südlichster Fundort ist Ingolstadt.
Gestielte Pfeilspitzen aus Feuerstein und Pfeilschaftglätter belegen die Verwendung von Pfeil und Bogen. In einem Grab von Straubing (Ziegelei Jungmeier) lagen sechs Pfeilspitzen in der Gürtelgegend des Toten. Ein Pfeilschaftglätter wurde in einem Grab von Straubing (Ziegelei Ortler) geborgen.
Unter den Werkzeugen gab es häufig Feuersteinklingen und -spitzen, daneben Steinbeile, Mahlsteine, Knochenmeißel und -pfrieme sowie Hirschgeweihhacken.
Außer den Kupferdolchen aus fernen Gegenden dokumentieren Gehäuse von Täubchenschnecken (Columbella rustica) vom Mittelmeer und Bernstein von der Ostseeküste Tauschgeschäfte. 46 kleine Perlen aus Bernstein und vier aus fossilem Holz (Gagat) fanden sich in einem Grab von Alteglofsheim (Kreis Regensburg), das nicht zum erwähnten Gräberfeld gehörte. Sie waren vermutlich zusammen mit zwölf Knochenscheiben-Ringen in einem Beutel oder Säckchen untergebracht. Zwei goldbraune Bernsteinperlen kamen in einem Grab von Straubing (Ziegelei Jungmeier) zum Vorschein.
Die Frauen der Straubinger Kultur trugen ungewöhnlich viel Schmuck auf dem Kopf, um den Hals, auf der Brust, der Kleidung, an den Armen, Fingern und Beinen. Die Schmuckstücke bestanden aus Schneckengehäusen, Knochen, Zähnen, Bernstein, Kupfer und Gold.
Vor allem die Hauben der Frauen wurden reich geschmückt. Man hat sie mit kupfernen Blechröhrchen, Spiralröllchen (auch Saltaleoni genannt), spiralförmigen Zierscheiben (Spiraltutuli) und Blechbändern behängt, was offenbar für die damalige Frauentracht in Südbayern typisch war. An einer Haube von Straubing (Ziegelei Jungmeier) prangten auf Lederschnüren aufgefädelte Blechröhrchen und Spiralröllchen. Mit einem Behang aus Blechröhrchen und Gehäusen von Täubchenschnecken war eine Haube von Kay-Mühlham (Kreis Traunstein) versehen. Eine Haube in Raisting war mit einem Besatz aus Spiraltutuli und knöchernen, auf einem Band aufgenähten Knöpfen verziert, wobei dieses vermutlich zu beiden Seiten des Kopfes von der Haube herunterhing.
Die in Frauen- und Männergräbern gefundenen Schleifenringe sollten vielleicht das Kopfhaar in zwei Schöpfen auf beiden Seiten zusammenzuhalten. An der Schläfe trug man mitunter kupferne Blechbänder. Reste von ihnen wurden in Mintraching (Kreis Regensburg) und Oberhaching (Kreis München) geborgen. Das längste Blechband in Oberhaching war 51,6 Zentimeter lang, die Breite betrug 2,5 bis 3,2 Zentimeter.
Als Halsschmuck dienten Ketten mit aufgefädelten Muschelschalen, Schneckengehäusen, Bernsteinperlen, Knochenringen und kupfernen Brillenspiralen. Ein weiterer Halsschmuck waren kupferne Ösenhalsringe.
Drei Röhrchen von Zahnschnecken (Dentalium) wurden in einem Grab von Mintraching (Kreis Regensburg) zutage gefördert. Sie hingen vermutlich zusammen mit zwei Bernsteinperlen an einer Halskette. Ein Bernsteinring lag neben den Fußknochen.
Runde Bernsteinperlen konnten auch in Straubing (Ziegeleien Jungmeier und Ortler) nachgewiesen werden. In Gilching (Kreis Starnberg) gehörten zehn Columbella-Schneckengehäuse vom Mittelmeer zu einer Halskette. Aus einem Grab von Kronwinkl (Kreis Landshut) kennt man einen Halsschmuck aus fünf Knochenringen. Kupferne Brillenspiralen wurden in Mintraching, Raisting am Ammersee und in Straubing-Alburger Hochweg gefunden. Kupferne Ösenhalsringe lagen meistens einzeln und nur selten paarweise in Frauengräbern.
Auf der Brust funkelten manchmal große kupferne Blechzierscheiben und Spiraltutuli. Die Blechscheiben hatten einen Mittelkegel und Randlöcher, durch die sie auf der Unterlage befestigt waren. Als Tutulus wird ein knopfartiger Zierrat mit konischem oder stachelartig erhöhtem Mittelteil bezeichnet.
Hinter dem Rücken von einigen im Gräberfeld von Alteglofsheim (Kreis Regensburg) bestatteten Frauen befanden sich zwei oder vier große Spiraltutuli aus Bronzedraht. Sie wurden von parallel liegenden Blechröhrchen-Bündeln eingerahmt. Die Spiraltutuli und Blechröhrchen gelten als Besatz und klappernder Behang des Kleidungsstücks von Frauen eines bestimmten Standes, das je nach Rang unterschiedlich verziert war.
Eine Zierde bildeten oft die knöchernen, kupfernen und bronzenen Nadeln, mit denen Gewänder zusammengehalten wurden. Die Knochennadeln imitierten teilweise metallene Vorbilder. Auch aus Eberzähnen hat man Nadeln geschnitzt. Etliche Knochennadeln besaßen einen verbreiterten Kopf oder eine verzierte Kopfplatte, die in der Mitte durchbohrt war. Bei den metallenen Nadeln gab es zunächst nur kupferne Scheibenkopf- und Rudernadeln, später jedoch auch bronzene Hülsenkopf-, Ösenkopf- und Kugelkopfnadeln.
Außerdem wurden die Arme mit kupfernen Reifen oder Spiralen behängt, an den Fingern steckten Spiralringe, an den Beinen baumelten in Höhe der Oberschenkel auf Lederschnüre aufgezogene Blechröhrchen, und an den Fußknöcheln prangten Spiralringe.
In einigen Gräbern lagen sogar Schmuckstücke aus Gold. Aus Gernlinden (Kreis Fürstenfeldbruck) kennt man eine goldene Spirale, aus Mintraching (Kreis Regensburg) zwei goldene Noppenringe und aus dem Inn bei Töging (Kreis Altötting) Golddrahtschmuck. In Alteglofsheim (Kreis Regensburg) hatte man nicht nur den erwähnten bedeutenden Krieger, sondern auch ein verstorbenes fünfjähriges Kind mit Goldschmuck ausgestattet.
Die Verstorbenen wurden nur ausnahmsweise in isolierter Lage beerdigt. Meistens legte man einige hundert Meter von der Siedlung entfernt ein Gräberfeld an. Dort bettete man die Toten überwiegend einzeln, selten zu zweit, in Flachgräber.
Bei den Bestattungen achteten die Straubinger Leute darauf, daß die Männer auf der linken und die Frauen auf der rechten Seite lagen. Außerdem war die Hockerstellung üblich, bei der die Beine zum Körper hin angezogen wurden. Zumindest in der Anfangszeit ruhte bei den Männern der Kopf im Norden bis Nordosten mit Blickrichtung nach Osten bis Südosten. Bei den Frauen war der Kopf zum Süden bis Südwesten ausgerichtet, während der Blick nach Osten bis Südosten wies. Diese Orientierungen der Toten sind nur bei Beobachtung des Sonnenstandes und Festlegung der Himmelsrichtung möglich.
Bei einem in Mintraching (Kreis Regensburg) bestatteten Mann waren die Beine extrem abgewinkelt und die Unterschenkel bildeten fast eine Parallele zu den Oberschenkeln. Der Ausgräber Hannsjürgen Werner aus Neutraubling erklärte die ungewöhnliche Lage der Beine damit, daß diese gefesselt worden sind.
Das von 1899 bis 1902 vom Historischen Verein Straubing untersuchte Gräberfeld in der Ziegelei Ortler in Straubing umfaßte insgesamt 22 Gräber. Zu dem im Winter 1941/42 beim Lehmabbau durch einen Bagger aufgedeckten Gräberfeld in der Ziegelei Jungmeier gehörten 36 Gräber. Die meisten Skelette aus dem tiefgefrorenen Straubinger Boden wurden nicht aufbewahrt und untersucht. Der Vorstand des Historischen Vereins Straubing und Leiter des Straubinger Museums, Josef Keim (1883–1973), hat jedoch die Grabbeigaben gerettet.
Weitere Gräberfelder der Straubinger Kultur kennt man von Alteglofsheim im Kreis Regensburg (vermutlich mehr als 60 Gräber), Mangolding und Mintraching im Kreis Regensburg (56 und 23 Gräber), Raisting am Ammersee im Kreis Weilheim-Schongau (45 Bestattungen), Kleinaitingen im Kreis Augsburg (39 Gräber) und Kronwinkl im Kreis Landshut (32 Gräber). Kleinere Friedhöfe wurden in Gernlinden im Kreis Fürstenfeldbruck (sechs Gräber), München-Englschalking (sechs Gräber) und Poing (sechs Gräber) aufgedeckt.
In Raisting waren die Gräber in zwei Gruppen angeordnet, bei denen jeweils am Rand ein Pfostenbau stand. Manche der dortigen Gräber hatten eine Einfassung aus Geröll, Wand- und Deckbrettern, und in einem befand sich ein Baumsarg. In Poing markierten Pfosten die Gräber und verhinderten so bei neuen Bestattungen Überschneidungen. Ein Grab in Kleinaitingen war mit einem 1,4 Meter langen, zentnerschweren Stein bedeckt, und der Tote ruhte in einer zwei Meter langen Steinkammer.
Vom Grünspan des Kupfers verfärbte Knochen und der an den Gebeinen fehlende Schmuck lassen keinen Zweifel daran, daß hier Grabräuber am Werk waren, die es vor allem auf die wertvollen Metallbeigaben abgesehen hatten. Auf solche Spuren von »Leichenfledderei« stieß man in Poing und Kleinaitingen.
Die Hinterbliebenen versahen die Toten nur selten mit Eß- und Trinkgeschirr. Bei den Tierknochen und -zähnen aus Gräbern handelt es sich entweder um Reste von Speisebeigaben für die Verstorbenen oder um Amulette und Schmuck. Die Männer rüstete man mit Kupferdolchen, steinernen Pfeilspitzen, Schmuck und Tongefäßen für das Weiterleben im Jenseits aus. Die Frauen erhielten neben Tongefäßen reichlich Schmuck.
Die über manchen Gräbern vorgefundenen Bruchstücke von Tongefäßen spiegeln vielleicht den Brauch wider, bei Totenfeiern Tongefäße zu zertrümmern. Solche Scherbenstreuungen fand man beispielsweise in Raisting am Ammersee.
Die Grab- und Bestattungsformen der Langquaid-Stufe waren nicht einheitlich. Es gab Flachgräber (Malching, Kelheim), in zunehmendem Maße Grabhügel (Hatzenhof, Kösching), Körper- und Brandbestattungen in tönernen Urnen (Kelheim, Malching, Unterföhring) sowie Bestattungen von Kindern in Tongefäßen (Pithos-Bestattung). Von letzteren ist allerdings nur je ein Fall aus Kelheim und Mintraching bekannt.
Die Versteckfunde von Tongefäßen, Waffen und Schmuck sind möglicherweise nicht nur Materiallager von Händlern gewesen, sondern zum Teil auch Opfergaben für die Götter. Mit Opferzeremonien wird vor allem die Deponierung von Tongefäßen in Gruben oder Höhlen in Verbindung gebracht. Allein in der Höhle Schulerloch im Altmühltal (Kreis Kelheim) fand man Scherben von ungefähr 50 polierten Tongefäßen – darunter meistens Tassen und Krüge von bester Qualität -, die offenbar eigens für Opferzwecke hergestellt worden waren.
Opfergaben könnten auch jene metallenen Dolche gewesen sein, die in Flüssen versenkt wurden. Vielleicht wollte man mit Flußopfern sichere Überfahrten von Göttern erflehen oder sich bei diesen für heil überstandene Überquerungen bedanken. Oder man hielt Flüsse für den Wohnsitz bestimmter Götter.
Der Münchner Prähistoriker Rudolf Albert Maier betrachtete 1988 die an Seen und Mooren entdeckten Depots von kupfernen Ösenhalsringen als standardisierte Opfer und quasi »heiliges Geld«. Zu dieser Kategorie von Opfern rechnete er den Moorfund am Ostufer des Waginger Sees bei Kirchanschöring (Kreis Traunstein) und den Fund auf den »Rohrwiesen« im Nordteil des Erdinger Mooses bei Eitting-Moos (Kreis Erding). Im ersteren Fall handelt es sich um sechs kupferne Ösenhalsringe in abgestufter Größe und im zweiten um drei davon.
Ein weiterer Opferfund könnte das Depot von 71 kupfernen Spangenbarren bei Haag an der Amper (Kreis Freising) gewesen sein. Denn diese Barren im Gesamtgewicht von
5,2 Kilogramm wurden in einem Altwasser oder einem Auetümpel der Amper versenkt. Ein Metallhändler oder Kupfergießer hätte dies wohl kaum getan, wenn er ernsthaft bestrebt gewesen wäre, seinen Schatz jemals wieder zu heben.
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